Carl Paul Heinrich v. Restorff
1829-1914
Für den Vornamen Carl gibt es zwei Schreibweisen:
Er selbst unterzeichnet mit C,
im Gotha von 1901 und von seinen Vettern wird er mit K geschrieben.
Wir schließen uns seiner Schreibweise an.

 

 

 

 

 

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Das Leben des
Carl
Paul Heinrich v. Restorff
zusammengestellt von Maria-Charlotte Weiß - v. Restorff   (12. März 2007)

Über das Leben von Carl Paul Heinrich v. Restorff erfahren wir nur wenig, obwohl er im Alter von 82 Jahren seine Erinnerungen für seine Geschwister und deren Familien aufgeschrieben hat. Darin berichtet er liebevoll über den früh verstorbenen ernsten,  gebildeten Vater, über die fromme, kluge und außerordentlich pflichtbewusste Mutter Elisabeth, auch über die Großeltern, nicht aber über sein eigenes späteres Leben. Er ging wohl davon aus, dass die Geschwister, Nichten und Neffen im Jahre 1911 seinen Lebensweg kannten.

 

Das zweitälteste Kind der Eltern Adolf Conrad Cord – Carl schreibt „Adolf“ und nicht „Adolph“ – v. Restorff und Elisabeth Wilhelmine, geb. Schuback, wurde am 3. August 1829 im mecklenburgischen Ribnitz geboren. Er selbst schreibt seinen Namen „Carl“ Paul Heinrich, das sollten wir so übernehmen. Im zweiten Teil der „Geschichte der Familie von Restorff“ von Eckart von Stutterheim wird der Name „Karl“ geschrieben und der Vorname des Vaters „Adolph“, in der Bibel jedoch, die die Eltern dem Zwölfjährigen zu Weihnachten 1841 schenkten, steht: „Dein Dich liebender Vater C. von Restorff“ [Carl v. R., S. 17], und so ist anzunehmen, dass der Vater „Cord“ genannt wurde und nicht Adolf.

 

Bis 1836 lebte die Familie in Ribnitz, wo der Vater nach seinem zweiten juristischen Examen Zweiter Beamter war. Man wohnte in einem schönen eigenen Haus mit Pferdestall und mit einem Garten für die Kinder Luise, Carl, Gustav und Johanna, die in den Jahren 1828 bis 1832 geboren worden waren. Dann aber gab es eine Katastrophe: Die jüngste Tochter, die kleine Anna, starb am 10. April 1834 im Alter von nur zwei Jahren. Einen Monat später, am 13. Mai 1834, wurde Adolf Ludwig Franz geboren und im nächsten Jahr noch ein kleiner Sohn, Hermann Ludwig Wilhelm Carl. Trotz des Verlustes der kleinen Tochter und trotz der finanziellen Einschränkungen waren die Jahre in Ribnitz – wie Carl schreibt –  für die aus reichem Hause stammende Mutter die schönsten.

 

Im Jahre 1836 nahm der Vater seinen Abschied aus dem Staatsdienst und übernahm von der 59jährigen Mutter und Großmutter Carolina Christiana von Restorff, die in Rakow lebte, das Gut Radegast. Dort wurde am 13. September 1836 der nächste Sohn Friedrich geboren. Carl war nun sieben Jahre alt, er hatte fünf Geschwister, eine ältere Schwester und vier jüngere Brüder, und die Familie genoss die neue Heimat. „Dieselbe Treue und denselben Fleiß, den er bisher als Beamter bewahrt hatte, übertrug der Vater auf die Bewirtschaftung von Radegast“, so schreibt Carl [S. 12], und der Einsatz für die Landwirtschaft, für die Schaf- und Pferdezucht brachte vielfältige Erfolge und reiche Erträge. Auch die Kinderschar wuchs weiter: Wilhelm kam am 10. Februar 1838 auf die Welt und die kleine Marie am 19. Juni 1839. Es waren nun, nach dem Tode der kleinen Anna, insgesamt acht Geschwister.

 

Die älteren Kinder wurden nicht nur von deutschen und französischen Gouvernanten und von Hauslehrern erzogen, sondern auch und vor allem von den tüchtigen Eltern. Aus heutiger Sicht würde man den Vater als äußerst vielseitigen Sportler bezeichnen, der auch seine Kinder zum Laufen, Springen, Heben, Turnen, Schwimmen und zum Schlittschuhlaufen anhielt; vom Reiten allerdings ist keine Rede. Aus erzieherischen Gründen bekamen die Kinder auch keine Esel oder Ponys: Ihr Denken und Handeln sollte sich ausschließlich auf den Unterricht konzentrieren. Für die musische Erziehung war die Mutter zuständig, die nicht nur gut zeichnen konnte, sondern die vor allem eine talentierte Klavierspielerin war, sogar selbst komponierte, und die den ältesten beiden Kindern jahrlang Klavierstunden gab. Früh wurde bei Tisch mit den Kindern französisch gesprochen, und als im Sommer 1839 ein Hauslehrer für Carl fehlte, übernahm der Vater den Unterricht des Sohnes und las mit ihm Cornelius Nepos. Man bedenke: Carl war erst zehn! Aber die Söhne sollten – unabhängig davon, welchen Weg sie einmal einschlagen würden – auf jeden Fall vorher studieren. Vier der sechs Brüder studierten später tatsächlich, und Carl berichtet, dass er bei den „griechischen Exercitien“ [S. 16] bis zum Abgang zur Universität ohne Grammatik auskam, so gut war der Unterricht durch seinen Radegaster Hauslehrer gewesen!

 

Aber auch außerhalb des Unterrichts wurde dafür gesorgt, dass die Kinder sich nützlich machten, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. So hatte zum Beispiel jedes Kind sein kleines Gärtchen, für das es verantwortlich war, und auch sonst gab es auf dem Hof, im Garten und im Park genügend Aufgaben, die von kleinen und größeren Jungen übernommen werden konnten. Verwöhnung und Verweichlichung waren schlecht für die Charakterbildung: Die Erziehung war streng, aber Carl und auch andere Restorffs, die nach ähnlichen Prinzipien erzogen worden waren, zeigten sich in der Rückschau dankbar für diese Strenge, die sie gestählt hatte für die Bewältigung schwieriger Lebensumstände. Verwöhnung erfuhren die Kinder von der von allen geliebten „Großmama Sillem“ [S. 25], die die Kinder phantasievoll – dem jeweiligen Alter entsprechend – beschenkte und das Nachdenken darüber als ihre Lieblingsbeschäftigung bezeichnete.

 

Nach fünf glücklichen und erfolgreichen Jahren in Radegast erlitt der Vater 1841 einen ersten Schlaganfall, der ihn von nun an schonungsbedürftig machte. Heftige Schmerzen, die er klaglos ertrug, und vergebliche Kuren überschatteten die folgenden zwei Jahre. Am 20. August 1843, nachmittags um 3 Uhr, ist er gestorben. An seinem Sterbebett stand nicht nur seine Familie, sondern auch „Ohm Heinrich“ aus Rosenhagen, der dem ältesten Sohn des Verstorbenen, dem jetzt vierzehnjährigen Carl versprach: „Ich will von jetzt an Euer Vater sein.“ [S. 15] Und dieses Versprechen hat er gehalten und der Familie als Vaterersatz und Vormund zwanzig Jahre lang beigestanden.

 

Man mag sich die Situation der jungen Witwe gar nicht vorstellen: Nur sechs Wochen vor dem Tode ihres geliebten Mannes war die jüngste Tochter Dorothea am 5. Juli 1832 geboren worden, mitten hinein in die Ängste und Sorgen um den Todkranken. Die Lebenskräfte des kleinen Mädchens reichten nicht aus, es starb ein Jahr später am 12. Juli 1844. Die kleine, kränkliche Mutter, 39 Jahre alt, bewältigte trotz aller Schwierigkeiten die immensen Aufgaben, die ihr schon während der Krankheit ihres Mannes zusätzlich zugefallen waren. Sie erzog nicht nur die acht Kinder, sie stand nicht nur dem Haushalt vor und engagierte Gouvernanten und Hauslehrer – sie kümmerte sich auch und vor allem um die Finanzen, die sie sorgfältig aufteilte: Von den Zinsen ihres Vermögens wurde die Ausbildung der Kinder finanziert, die Erträge des Gutes aber wurden für deren späteres Leben zurückgelegt, so dass jedes der dann noch lebenden Kinder 75 000 Taler bekommen konnte.

 

Irgendwann wird Carl aufs Gymnasium gekommen sein. Wir wissen nur von seinem jüngeren Bruder Adolf, dass dieser bis zum Abitur auf das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Berlin ging und dort – wie es üblich war – in Pension lebte, und zwar bei der Familie eines General-Superintendenten. Ähnlich werden auch die anderen Söhne ihre Gymnasialzeit verbracht haben, denn Carl schreibt: „Als die Söhne von Hause kamen, und zwar nach 3 – 4 verschiedenen Orten, mehrte sich die Correspondenz der schon ohne dies stark belasteten kränklichen Frau. Mit den verschiedenen Pensionsvätern der Söhne hielt sie die Verbindung aufrecht; als kranke Mutter korrespondierte sie mit jedem der Söhne in regelmäßigen Zeitabschnitten. Es waren liebevolle, oftmals ernste, ermahnende Worte in diesen Briefen, welche – von wahrer Frömmigkeit diktiert – unsere Verehrung und Liebe für alle Zeiten erwerben mussten und es getan haben.“ [S. 20.]

 

Wo Carl sein Studium begonnen und was er studiert hat, erfahren wir nicht. Er schreibt aber: „Als einen besonderen Vorzug habe ich es zeitlebens betrachtet, ein Jahr lang, 1851 – 52, als Student bei der Großmama Sillem in Rostock wohnen zu dürfen. Der tägliche Verkehr mit diesem liebenswürdigen und vortrefflichen Charakter konnte nicht ohne Eindruck bleiben. Am ersten Morgen meines Dortseins sagte mir die Greisin: Du, mein lieber Sohn, bist jetzt ein freier Student und kannst machen, was du willst; ich aber bin eine freie Großmama und kann sagen, was ich will.’ Gütiger, aber auch eindrucksvoller konnte sich gewiss niemand äußern! Daß ich in dem reichen Hause durch Wohnung und Tisch sehr verwöhnt und außerdem sehr verzogen ward, ist vermutlich selbstverständlich.

 

Am 18. Mai 1856 war ich zum Geburtstage der geliebten Großmama gekommen. Sie hatte, obgleich eigentlich nur schwächlich, das 85. Jahr erreicht. Geistig rege blieb sie bis zuletzt; sie ließ sich mit großem Interesse vorlesen, und diese Bücher waren teils deutsch, teils englisch oder französisch. – Am Abend des 18. Mai reiste ich von Rostock ab, um mir in Preußen eine neue Heimat zu suchen. Beim Abschied küsste mich die Großmama auf die Stirne und sagte: ‚Gott segne dich, liebes Kind!’ – Nur im Sarge liegend habe ich fünf Wochen später die geliebten Züge wiedergesehen, aber ihr Segen hat mich durchs Leben begleitet. Bis ins hohe Alter blieb mir der 18. Mai in pietätvoller Erinnerung.“ [S. 26.] Beim Tode der Großmutter war Carl 26 Jahre alt.

 

Kaum ein Jahr nach dieser ersten Reise Carls nach Preußen, dem späteren Ostpreußen, erlebte die Familie einen weiteren Schock: Am 5. Februar 1857 starb in München als zweiundzwanzigjähriger Jurastudent Carls Bruder Hermann. Zehn Kinder hatte Elisabeth geboren, nun lebten noch zwei Töchter: Luise, die schon 1854 geheiratet hatte, und die elf Jahre jüngere Marie, die noch bei der Mutter in Radegast wohnte, und fünf Söhne: Carl, Gustav, Adolf, Friedrich und Wilhelm. Diese fünf Söhne losten – wie es in Mecklenburg Brauch war – im Jahre 1863 um das Gut Radegast. Das Los traf Friedrich. Die Brüder Carl, Gustav und Adolf fanden ihre neue Heimat in Ostpreußen: Carl kaufte das Gut Dosnitten, Kreis Preußisch Holland, Gustav wurde nach seiner Militärlaufbahn als Major a. D. Herr auf Klotainen, Kreis Heilsberg, wenn auch nur für zwei Jahre, und Adolf kaufte Schwengels und Montitten, wo seine Familie bis ins 20. Jahrhundert lebte. Diese „Auswanderung“ nach Preußen scheint damals in Mecklenburg nicht unüblich gewesen zu sein, denn auch der jüngere der Rakower Brüder, Friedrich, ging – nachdem das Los auf seinen älteren Bruder Otto gefallen war – nach Preußen und erwarb dort das wunderschöne Lindenau.

 

Wann Carl Dosnitten kaufte, wissen wir nicht, auch nicht, wie lange er dort gelebt hat. Im Protokoll des ersten Familientages der Familie von Restorff im Hotel Kaiserhof in Berlin am 5. Juni 1894 steht als erster Teilnehmer „Carl von Restorff, in Schwerin a. d. H. Radegast“. Da war Carl 65 Jahre alt. Auch in den folgenden Protokollen aus den Jahren 1895 und 1898 steht jeweils an erster Stelle „Carl v. R. – Schwerin a. d. H. Radegast“. 1901 wird er als „Karl v. R. wohnt zu Schwerin“ in der Mitgliederliste genannt, nicht jedoch als Teilnehmer im Protokoll des vierten Familientages am 11. Februar 1901 in Berlin. Auch 1904, 1907, 1908 und 1910, im Protokoll des 8. Familientages in Berlin, fehlt sein Name.

 

1911 schrieb Carl als 82jähriger seine Erinnerungen für die Geschwister auf. Am 7. September 1914 – einen Monat nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges – ist der unverheiratete Carl im Alter von 85 Jahren in Schwerin gestorben.

  

MCWvR / März 2007

 

 

 

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